Vielleicht auf lange Sicht, denn manche Unternehmen bewegen sich bisher nur zögerlich oder gar nicht. Sie tun sich noch schwer mit der neuen Freiheit und könnten dadurch im War of Talents ins Hintertreffen geraten. Laut Statista liegt der Anteil der Stellenanzeigen, in denen Homeoffice angeboten wird, bei gerade einmal 1,5 Prozent. Während Anfang April mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer im Homeoffice gearbeitet hat, waren es Mitte Mai nur noch knapp neun Prozent, die komplett im Homeoffice arbeiteten, wie eine Langzeit-Studie der Universität Mannheim zeigt. Dabei sind die Vorteile des Homeoffices offensichtlich: Bei der Deutschen Telekom steigerte sich die Produktivität der Service-Abteilung im Homeoffice um acht Prozent und die Gesundheitsquote verbesserte sich im April trotz der Pandemie deutlich im Vergleich zu den Vorjahren, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet.
Es gibt kein Zurück
Telekom-Chef #Timotheus Höttges, bisher nicht unbedingt ein begeisterter Verfechter des Homeoffice, sagt: „Wir werden nicht in den Zustand vor der Krise zurückkehren, sondern in eine hybride (Arbeits-)Welt.“ Anja Müller, Interim Managerin im HR-Bereich, glaubt ebenfalls nicht, dass es nach der Krise ein Zurück gibt: „Viele Mitarbeiter haben das Homeoffice schätzen gelernt und erwarten, dass ihnen das Unternehmen hier auch künftig entgegenkommt. Die Verantwortlichen in den Unternehmen werden einsehen müssen, dass großzügige Homeoffice-Regelungen und eine moderne Ausstattung ein Wettbewerbsvorteil sind, wenn es darum geht, Mitarbeiter zu binden oder neue zu finden.“
Die Krise habe den Unternehmen die große Chance gegeben, eine #Vertrauenskultur aufzubauen. „Ich würde mir wünschen, dass die Unternehmen nicht in alte Muster von Kontrolle und Misstrauen zurückfallen. Es ist bewiesen, dass die Produktivität nicht sinkt, sondern die Effizienz sogar größer wird, wenn die Menschen im Homeoffice arbeiten. Die Mitarbeiter wollen beweisen, dass sie zuhause besser sind“, sagt Müller und fügt hinzu: „Kein Unternehmen wird es sich leisten können, Mitarbeiter zu verlieren oder nicht zu bekommen, weil es keine Möglichkeiten für modernes Arbeiten anbietet. Natürlich wird nicht jede Führungskraft es gut finden, in großen Teilen virtuell zu führen. Doch die Möglichkeit zum Homeoffice oder flexiblem Arbeiten bedeutet ja nicht, dass die Mitarbeiter gar nicht mehr ins Unternehmen kommen. Individuelle Regelungen sind gefragt.“
Sowohl-als-auch-Lösungen gefragt
Interim Managerin Anja Zapka-Volkmann plädiert ebenfalls für eine offene Haltung der Unternehmen: „Manche Angestellten finden sich im flexiblen Arbeiten gut zurecht und wollen weiterhin und am liebsten dauerhaft andernorts arbeiten. Andere möchten zurück ins Unternehmen, weil ihnen die sozialen Kontakte zu den Kollegen fehlen. Viele möchten jedoch die Option aufs ‚Homeoffice‘ grundsätzlich haben, ohne sich jedoch festzulegen, an welchen und wie vielen Tage die Arbeit aus dem Homeoffice oder im Büro erbracht werden soll. Sie möchten totale Flexibilität und die Möglichkeit zwischen beiden Varianten nach Belieben zu wählen. Aus betrieblicher und gesetzlicher Sicht können die Mitarbeiter nur auf freiwilliger Basis ins Homeoffice geschickt werden. Es gibt erste Gerichtsurteile, die bestätigen, dass niemand gegen seinen Willen flexibel arbeiten muss - auch nicht wegen Covid 19.“
Zapka-Volkmann empfiehlt den Unternehmen, zunächst eine Abfrage bei der Belegschaft zu diesem Thema zu starten. Dabei sollten sich die Verantwortlichen bewusst sein, dass es im Grunde genommen nicht um Homeoffice gehe, sondern um flexibles Arbeiten, das nicht unbedingt zuhause stattfinden müsse, sondern überall. „Ist der Mitarbeiter einverstanden, ist eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag notwendig. Schon ein Tag pro Woche im Homeoffice kommt übrigens einer Versetzung gleich und zieht entsprechende betriebsverfassungsrechtlich vorgeschriebene Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach sich“, sagt Zapka-Volkmann und empfiehlt, mit dem Betriebsrat entsprechende Vereinbarungen zu treffen.
„Wegen der Covid 19-Krise haben die meisten Unternehmen aufgrund der Notwendigkeit schnell handeln zu müssen, aus der Hüfte geschossen. Die meisten Betriebsräte haben ein Auge zugedrückt und nicht auf ihre Beteiligungsrechte bestanden und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer über ihre Beteiligungsrechte gestellt. Mit der Rückkehr zur Normalität müssen nun aber offizielle Regelungen für neue Arbeitsmodelle gefunden werden“, mahnt Zapka-Volkmann.
Rechtsanspruch auf Homeoffice?
Einig sind sich die Managerinnen darin, dass die geltenden Gesetze nicht mehr zeitgemäß sind. „Im Moment bewegen wir uns mit dem Arbeiten im Home Office oftmals in einer Grauzone, denn viele Dinge sind noch nicht geklärt, beispielsweise wenn es um Unfälle und Haftungsfragen geht. Wer soll bezahlen, wenn der Hund des Mitarbeiters das Kabel des Firmenlaptops anknabbert?“, gibt Müller zu bedenken. „Es wäre wünschenswert, dass der Gesetzgeber ein Regelwerk zu Homeoffice und flexiblem Arbeiten schafft. In vielen europäischen Nachbarländern wie den Niederlanden gibt es bereits einen #Rechtsanspruch auf Homeoffice und ein entsprechendes Regelwerk. Deutschland hinkt hier ziemlich hinterher, was natürlich auch daran liegt, dass das regelmäßige Arbeiten im Homeoffice bei uns bisher kaum genutzt beziehungsweise erlaubt wurde.“
Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice geht Zapka-Volkmann zu weit: „Das geht meiner Ansicht nach zu weit und hätte das totale Chaos zur Folge. Diskriminierungsklagen wären vermutlich vorprogrammiert. Produktionsmitarbeiter können ihre Arbeit nur im Betrieb erbringen. Bei einem Rechtsanspruch würden sie oder die Gewerkschaft als logische Konsequenz eine Kompensation dafür verlangen, dass sie ihren Rechtsanspruch nicht ausüben können, was letztlich einer versteckten Gehaltserhöhung gleichkäme. Die Homeoffice-Thematik und die Umsetzung müssen hoch individuell gelöst werden, nicht per Rechtsanspruch.
Der Blick von außen
Zweifellos hat die Corona-Krise einen #Changeprozess angestoßen, dem sich die Unternehmen werden stellen müssen, ob sie wollen oder nicht, denn die Mitarbeiter fordern Veränderungen ein. In dieser Situation kann #Interimmanagement unterstützen. „Viele Manager haben keine Krisen- und Changeerfahrung oder nicht ausreichend Ressourcen an Bord“, sagt Sascha Hackstein, Geschäftsführer Berndtson Interim. „Der Einsatz eines Interim Managers kann in dieser kritischen Phase zu schnellen Ergebnissen führen. Gemeinsam mit unseren Kollegen von Odgers Berndtson begleiten wir das Management dann in der Weiterentwicklung ihrer Organisationen und leisten damit einen Wertbeitrag in der Zukunftssicherung.“ Müller stimmt zu: „Der Interim Manager bringt neben seiner persönlichen Kompetenz vor allem den Blick von außen und Erfahrungen aus anderen Unternehmen mit. Er kann den Blickwinkel auf das Thema vergrößern und zeigen, dass es nicht nur um Homeoffice oder Präsenzpflicht geht, sondern um die Attraktivität als Arbeitgeber, um Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit. Er kann verschiedene Modelle und Instrumente vorstellen, zeigen, wie es andere machen und wie man solche Veränderungen am besten umsetzen und begleiten kann.“
Anja Müller ist freiberufliche HR Interim Managerin. Ihre Einsätze sind in der Regel projektbezogen; in Leitungs- oder auch Expertenfunktionen.
Anja Zapka-Volkmann ist freiberufliche Interim Managerin, spezialisiert auf Transformationsprozesse, und Rechtsanwältin.
Was Arbeitgeber zum Thema Homeoffice wissen sollten: