Einkaufsgewohnheiten ändern sich dramatisch

Überleben und vorbereitet sein auf die Zeit nach der Krise

Die aktuelle Krise bedroht viele Unternehmen und wird die Wirtschaft nachhaltig verändern. Wir alle müssen uns Gedanken darüber machen, was danach kommt. Doch momentan stecken wir alle im Krisenmodus, müssen jeden Tag neue Entscheidungen treffen. Corona stellt unsere Welt auf den Kopf. Berndtson Interim und ich persönlich möchten Sie dabei unterstützen, mit den zahllosen Herausforderungen und Themen, die täglich neu auf Sie einstürmen, fertig zu werden. Dafür öffnen wir kostenlos unser Netzwerk für Sie und machen es verfügbar. Wir können Kontakte für Sie herstellen, Menschen und Unternehmen mit Fragen und Antworten zusammenbringen und Themen organisieren. Es geht uns jetzt in erster Linie um pragmatische Unterstützung. Ich lade Sie ein, mit uns zu kommunizieren, unser Wissen, unsere Erfahrung und unser Netzwerk zu nutzen, damit Ihr Unternehmen die Krise gut übersteht.

Trotz der Dringlichkeit der aktuell anstehenden Aufgaben müssen wir uns gleichzeitig Gedanken über die Zukunft machen. Für den Handel wird es darum gehen, seine Rolle an der Seite des Kunden grundlegend neu zu definieren. Vor allem der Großhandel wird sich um zusätzliche Services kümmern müssen. Der Großhandel erzielt mit seinen etwa 150.000 Unternehmen in Deutschland einen Umsatz von 1,176 Milliarden Euro. Der Anteil des E-Commerce beträgt dabei rund elf Prozent. Das bedeutet viel Luft nach oben. Sowohl für den stationären Handel als auch für den Großhandel stellt die Corona-Krise eine zusätzliche Gefahr dar, denn wenn der Einkauf in der realen Welt zu einer Gefahr für die Gesundheit wird, bietet der Online-Handel eine Alternative. Das wird das Einkaufsverhalten langfristig verändern, so Kai Hudetz, Geschäftsführer des Kölner IFH: „Es ist damit zu rechnen, dass der Online-Handel auch langfristig von dieser Krise profitieren wird. Auch wenn das Thema Coronavirus vorbei ist, wird weiterhin mehr online eingekauft werden als vor der Krise.“ Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Der Coronavirus wird so betrachtet ein Katalysator für das Ende vieler Einzelhändler ohne Internet-Standbein sein. Und wie bereits bekannt, werden sich die Entwicklungen im B2C-Business im B2B-Business wiederholen.

Druck von Konkurrenz und Kunden

Großhändler stellen bisher das Bindeglied zwischen Lieferanten und gewerblichen Abnehmern dar. Sie agieren als Intermediär zwischen Lieferanten und Abnehmern, reduzieren die Schnittstellen zwischen Hersteller und Abnehmer und verringern so deren Transaktionskosten. Das können digitale Plattformen wie Wucato, Contorion oder Amazon Business mittlerweile genauso gut, wenn nicht besser. Ebay Motors verkauft heute Autoteile im Wert von mehr als einer Milliarde Euro. Die Stellung der Plattformen könnte durch die Corona-Krise weiter gestärkt werden, denn aktuell können Zulieferer nicht mehr auf die Sicherheit ihrer Verträge mit ihren Kunden setzen, da diese ihre Geschäfte teilweise oder ganz eingestellt haben. Plattformen bieten hier eine Möglichkeit, Umsätze zu generieren und flexibel auf Nachfragen zu reagieren.

Die Plattformen verfügen über eine weit größere Datenkompetenz und können dadurch neuen Kundenbedürfnissen schnell Rechnung tragen. Den Einkäufern sind digitale Plattformen aus ihren eigenen privaten Bestellungen vertraut. Sie erwarten und handeln im Beruf entsprechend dieser Erfahrungen. Auch die Logistikkompetenz großer Portale ist ein Pluspunkt. Experten erwarten mittelfristig je nach Branche Marktanteile von 20 bis 30 Prozent.

Hinzu kommt, dass die Kunden des Großhandels zunehmend selbstbewusster werden.  Dank Digitalisierung verfügen die Hersteller selbst über weit mehr Daten und damit mehr Wissen über ihre Kunden und deren Bedürfnisse als früher und übernehmen Verteilungsfunktionen selbst. „Die Hersteller erkennen zunehmend die Attraktivität digitaler Vertriebskanäle zum Endkunden und nutzen sie. Durch digital gewonnene Nutzungsdaten entwickeln sie ein besseres Verständnis für ihre Kunden und sind in der Lage, frühzeitig deren Bedürfnisse zu erkennen und zu bedienen“, heißt es in einer gemeinsamen Studie des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) und der Beratungsgesellschaft Roland Berger. Die Stärken des Großhandels wie persönliche Kundenbeziehungen, ein breites Sortiment und die Finanzierungsfunktion sind heute nicht mehr ausschlaggebend für den Erfolg, sondern Marktstandard. Der USP hat sich geändert.

In der Wertschöpfungskette des Kunden aktiv werden

Wenn der Großhandel sich durch die Digitalisierung nicht marginalisieren lassen will, muss er sich weiterentwickeln. Die beste Chance dafür sehe ich im Servicegeschäft, denn auf diese Weise kann sich der Großhandel in die Wertschöpfungskette seiner Kunden einbringen und für beide Seiten Mehrwert generieren. Wucato macht vor wie es geht: Die Plattform bietet Entlastung und Optimierung der Beschaffungsprozesse für mittelständische Industrie- und Handwerksunternehmen. Sie verbindet Einkäufer mit einer Vielzahl von Lieferanten und bündelt Bestell- und Abrechnungsprozesse an einem Ort. „Durch die simple Integration in bestehende Systemlandschaften werden Einkaufsprozesse automatisiert und der operative Einkauf entlastet“, heißt es auf der Website. „Wenn der Großhandel künftig seinen beachtlichen Kundenzugang erhalten und langfristig nicht gänzlich an digitale Plattformen verlieren will, ist er gut beraten, seinen Fokus drastisch in Richtung seiner Kunden zu verlagern statt die Innovation seiner kundenseitigen Wertangebote im Fokus auf bessere Einkaufskonditionen zu vernachlässigen“, sagt Gero Becker vom IFH Köln.

„Der Großhandel hat viele Möglichkeiten, in der Wertschöpfungskette seiner Kunden aktiv zu werden, vom Einkauf über Operations, Marketing und Vertrieb zur Ausgangslogistik und zusätzlichen Serviceangeboten“, sagt Silvia Eggenweiler, Partner bei Odgers Berndtson. „Das Thema Finanzierung lässt sich beispielsweise ausweiten auf Versicherungen, Garantien, Haftung etc. Hier kann der Großhandel ganz neue Services inklusive Beratungs- und Schulungsangebote entwickeln. Produktionsmittelüberlassung und herstellerunabhängige Wartung sind ebenso Möglichkeiten wie Unterstützung beim Projektmanagement, bei der Sortimentsplanung oder Channelmarketing. Das alles setzt aber voraus, dass der Großhandel sich davon verabschiedet, lediglich als Lieferant zu agieren".

Vom Lieferanten zum Problemlöser

Damit die Transformation vom Lieferanten zum Problemlöser und Prozessoptimierer des Kunden gelingt, muss sich sowohl die Sichtweise auf den Servicebereich als auch auf den Innovationsprozess ändern. Darüber hinaus müssen sowohl Lieferanten als auch Abnehmer, also beide Kundengruppen des Großhandels, im Blick sein.

Schritt für Schritt zum Serviceanbieter:

• Aus den Bedürfnissen der verschiedenen Kundengruppen müssen nutzerzentrierte Serviceangebote
  abgeleitet werden. Die Differenzierung zwischen verrechenbaren und nicht verrechenbaren Services
  muss klar sein.

• Die Bepreisung der Services verdient hohe Aufmerksamkeit. Service muss zum täglich Brot werden.

• Das Servicegeschäft sollte als eigenes Geschäftsfeld etabliert werden, dessen Nutzen in der GuV und
  über das Service-Dashboard sichtbar wird.

• Messen und Visualisieren der Serviceleistungen sind unabdingbar. Margenpotenziale und deren
  fortlaufende Überprüfung sind obligatorisch.

• Investitionen ins Servicegeschäft müssen zielgerichtet sein. Dabei sollte die Qualifikation der Mitarbeiter
  nicht vergessen werden.

• Setzen Sie auf neueste Technologie bei Hardware und Software.

Fünf Tipps für Innovation:

Ideen für neue Services und Geschäftsmodelle kommen nicht von ungefähr. Wie in vielen anderen Branchen sind die Innovationsprozesse im Großhandel – sofern vorhanden – häufig weder effizient noch ausreichend standardisiert und erlauben keine Skalierung. Der Misserfolg am Markt ist damit programmiert. Deshalb muss die Entwicklung neuer Serviceangebote systematisch auf deren Skalierbarkeit ausgerichtet und möglichst früh der Kunde an Bord geholt werden. Diese Strategie wirkt.

• Setzen Sie die Kundenbrille auf. Nur so werden Sie die Probleme Ihrer Kunden erkennen,
  verstehen und Lösungen finden.

• Erweitern Sie Ihr Methodenrepertoire. Setzen Sie auf agile Methoden wie Design Thinking,
  Prototyping und Minimum Viable Services (done is better than perfect), um neue Ideen schnell
  zu entwickeln, zu testen und zur Marktreife zu bringen. Verbessern Sie das Produkt iterativ
  entlang des Kundenfeedbacks.

• Unterschätzen Sie niemals die Rolle der Daten. Beachten Sie diesen Aspekt während des
  gesamten Innovationsprozesses und designen Sie Serviceprozesse so, dass sie kompatibel sind.

• Managen Sie das Serviceportfolio professionell und bestimmen Sie dafür einen Verantwortlichen.

• Öffnen Sie sich für die Zusammenarbeit in Netzwerken. Sprechen Sie mit Verbänden, Universitäten
  und Start- ups, gehen Sie, wenn sinnvoll, Kooperationen oder Joint Ventures ein.

Mar 21, 2020
Sascha Hackstein
Bild:
Photo by Jomjakkapat Parrueng on Unsplash
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